Treuhand-Manager und Landesminister Klaus Schucht

Geb. am 25. Februar 1930 in Breslau, gest. am 18. Januar in Films (Schweiz)

Wirtschaftsmanager und Politiker

Corps Silesia Breslau zu Aachen

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Schucht„Streiten gehört zum Leben“ war eine Maxime des Sozialdemokraten „mit dem Habitus eines preußischen Offiziers“ [1] – so brachte es der SPIEGEL nach seinem Tod auf dem Punkt: Klaus Schucht, Corpsstudent, Wirtschaftsmanager und Politiker. Um den Verkauf der Buna-Werke an den amerikanischen Konzern Dow Chemical zu verteidigen, erklärte er der streikenden Belegschaft, eine eigenständige Sanierung des Werks sei aussichtslos, denn Buna sei doch „nur ein Furz in der Weltgeschichte der Chemieindustrie"; dafür  musste er sich im Landtag von Sachsen-Anhalt entschuldigen.[2] Auffassungen, die er als richtig erkannt hatte, setzte er auch gegen Widerstände durch. Für „sein Engagement und seine Beharrlichkeit bei der Umstrukturierung der ostdeutschen Chemieindustrie“ verliehen ihm 1995 die Leipziger Wirtschaftsjournalisten den „Preis heiße Kartoffel“ mit der Begründung,  „er habe das heiße Eisen ohne Zögern angepackt und nicht wieder losgelassen.“

Studium und Promotion

Klaus Schucht absolvierte an der RWTH Aachen ein Studium für Bergbauingenieurwesen, das er 1955 als Diplomingenieur beendete. Während seines Studiums trat er dem Corps Silesia Breslau zu Köln und Aachen (KSCV) bei. 1958 schloss er seine akademische Ausbildung im höheren Staatsdienst mit dem Assessorexamen ab. 1960 wurde er mit seiner Arbeit „Die Materialförderung in Bergwerksbetrieben“ zum Dr.-Ing. promoviert.

Tätigkeiten in der freien Wirtschaft

Seit 1958 war er in der Geschäftsführung der Monopol Bergwerks GmbH tätig, 1963 wurde er dort Direktor und 1967 technischer Geschäftsführer. Im selben Jahr wurde er Mitglied der SPD. Ein Grund dafür war die Intellektuellenfeindlichkeit des Bundeskanzlers Erhard, der im Wahlkampf 1965 die Schriftsteller als „Pinscher“ und „Banausen“ bezeichnet hatte.[3] 1969 übernahm er die Position des Vorstandsmitglieds der Bergbau AG Westfalen (Ruhrkohle AG). Dort war er von 1976 bis 1991 Vorstandssprecher.

Vorstandsmitglied der Treuhand

1991 berief ihn der später ermordete Treuhandchef Carsten Detlev Rohwedder in den Vorstand der Treuhandanstalt. Dort war Schucht für Energie, Bergbau und Chemie zuständig. Damit war er auch für umfangreiche Privatisierungen wie die Leunawerke oder den Kalibergbau verantwortlich. Schucht setzte sich dabei stets für das Gelingen der Wiedervereinigung im Sinne „blühender Landschaften“ ein. Rasch realisierte er jedoch, dass die westdeutsche Wirtschaft und Politik eigene Interessen verfolgten, nämlich die Erschließung Ostdeutschlands als Markt. „Fast alle westdeutschen Interessenten kommen mit den anmaßendsten und teilweise dreistesten Forderungen. Niemand geniert sich, und keiner hat Bedenken, die Staatskasse, denn um nichts anderes handelt es sich, in dieser skrupellosen Form auszuplündern“, so Schucht Jahre später in einem Interview.[4]. Seine Arbeit bei der Treuhand wird als uneigennützig anerkannt. Dabei hatte er die Rückdeckung der Bundesregierung, auch die von Bundeskanzler Helmut Kohl.

Bei der Privatisierung von Minol musste er feststellen, dass es den westdeutschen Chemiebetrieben nicht um den Erhalt ostdeutscher Chemiestandorte ging, sondern um den Absatz ihrer eigenen Produkte im Osten. Die Wiedervereinigung sei aber nicht „erfunden (worden), um die Kapazitätsprobleme Westdeutschlands zu lösen", so Schucht.[5] Deshalb sah er sich gezwungen, die Privatisierung von Minol an den Bau einer neuen Raffinerie zu koppeln. Bei der Ausschreibung für den Verkauf der Minoltankstellen erhielt das Konsortium von Elf Aquitaine/Thyssen den Zuschlag. Elf Aquitaine/Thyssen musste das Tankstellennetz und die Altraffinerie Leuna übernehmen. Bis zum Bau der neuen Raffinerie übernahm die Treuhand die Verluste, Bund und Land waren für Fördermittel zuständig. Damit wurde der Bau der Raffinerie gegen die Interessen der westdeutschen Industrie durchgesetzt.

Zur Prüfung des Sachverhalts wurde auf Veranlassung der SPD1993 ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Schucht stimmte der Einsetzung des Ausschusses zu,, während Birgit Breuel, Rohwedders Nachfolgerin als Präsidentin der Treuhand,. den Ausschuss abzuwenden versuchte. Für Aufsehen sorgte Schuchts Weigerung, seine Tagebuchaufzeichnungen über das Wirken bei der Treuhand öffentlich zu machen, als 1997 gegen mehrere Personen – nicht jedoch gegen Schucht - Bestechungsvorwurfe wegen der Privatisierung der Raffinerie Leuna erhoben wurden.[6] Er übergab die Aufzeichnungen an das Bundesarchiv in Koblenz mit einer Sperrfrist von 20 Jahren. Der SPIEGEL schrieb nach Bekanntwerden, die Aufzeichnungen erlaubten „einen authentischen Einblick in jene Zeit, in der überforderte Politiker, forsche Konzernchefs und dubiose Geschäftemacher sich über Deutschlands Osten hermachten. Autor Schucht lieferte ein Dokument jener wilden Jahre, in denen der Westen mit dreistelligen Milliardenbeträgen sich am Aufbau Ost versuchte - und oft genug an den Unzulänglichkeiten der Bürokratie und der Gewitztheit von Konzernen scheiterte.“[7] 2003 produzierte der NDR das Dokudrama „Verkauftes Land“, in dessen Mittelpunkt die Tätigkeit Schuchts bei der Treuhandanstalt steht.[8]

Staatsminister in Sachsen-Anhalt

Obwohl oder vielleicht gerade weil er seine Tätigkeit bei der Treuhand nicht als Karrieresprungbrett, sondern als verantwortungsvolle politische Aufgabe verstand, berief ihn Reinhard Höppner, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, 1995 als Minister für Wirtschaft und Technologie in ein Kabinett. Schucht gehörte damit der ersten rot-grünen Minderheitsregierung nach dem „Magdeburger Modell“ an. Höppner wollte mit der Berufung eines ausgewiesenen Wirtschaftsfachmanns dem Vorurteil entgegentreten, das „Magdeburger Modell“ schrecke Investoren ab, weil seine Regierung über keine parlamentarische Mehrheit verfügte und auf die parlamentarische Duldung durch die damalige PDS angewiesen war. Das „Magdeburger Modell“ bot in Schuchts Augen die Chance, aus überholten Denkmodellen auszubrechen: „In allen anderen Bundesländern haben sich die Parteien verbarrikadiert, große Koalition gegen PDS, nur in Magdeburg haben wir eine zukunftsoffene Situation."[9] Zur PDS hatte er als Minister deshalb ein pragmatisches Verhältnis: „Wenn einer heute gut arbeitet, frag ich den nicht, was er früher gemacht hat."[10] Als Wirtschaftminister setzte er sich unter anderem für die Schaffung einfacherer Arbeitsplätze vor allem im Dienstleistungssektor und im Handwerk ein. Er forderte Jobs im Niedriglohnsektor, allerdings ohne das amerikanische System zu kopieren; gering bezahlte Tätigkeiten wollte er mit Lohnsubventionen aufstocken.[11] 1996 wurde er zusätzlich Minister für Europaangelegenheiten.

Aussichtsrat bei der Mibrag

1999 schied Klaus Schucht aus der Politik aus und wechselte in den Aufsichtsrat der Braunkohlegesellschaft Mibrag (Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft). Die Aufgabe, die er sich zuletzt gestellt hatte, nämlich das neue BMW-Werk aus Verbundenheit zum Land nach Sachsen-Anhalt zu holen, konnte er nicht mehr angehen. Das Werk kam bekanntlich nach Leipzig.

 

Klaus Schucht verstarb am.18.01.2001 in Films (Schweiz) im Alter von 70 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.

 

Autor: Ulrich Säger

Foto: Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt




[1] DER SPIEGEL 4/2001 (22. 01.2001), http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-18309151.html.

[3] DER SPIEGEL 30/1965 (21. 07. 1965), http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46273386.html.

[4] Dittmar, M./ Wassermann,A., „Wie im wilden Westen“ in SPIEGEL 30/2000 (24. 07.2000), http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-16961425.html.

[5] Schulte, E. B., Ex-Treuhand-Vorstand Klaus Schucht zu den Problemen der Minol-Leune-Privatisierung: „Rückendeckung des Kanzlers“, in: Berliner Zeitung vom 18.06.1997, http://www.berliner-zeitung.de/ex-treuhand-vorstand-klaus-schucht-zu-den-problemen-der-minol-leuna-privatisierung--rueckendeckung-des-kanzlers--16731088.

[6] „... wie das Geschäft damals lief.“ Ex-Treuhandvorstand Klaus Schucht über seine geheimen Tagebuchaufzeichnungen, in. SPIEGEL 51/1999 (20. 12. 1999), http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-15275022.html.

[7] Berliner Zeitung vom 18.06.1997 (wie Anm. 5).

[9] Sieber, U., Klaus Schucht, Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt, in: Berliner Zeitung am 2. Februar 1995, http://www.berliner-zeitung.de/klaus-schucht--wirtschaftsminister-in-sachsen-anhalt-17547540.

[10] Ebd.