Korporierte Sozialdemokratie: Wesentliches zum Lassalle-Kreis

Seit seiner Gründung 2006 wuchs der Lassalle-Kreis kontinuierlich zu einem bundesweiten Netzwerk von sozialdemokratischen Genossinnen und Genossen, die zugleich Mitglieder in Studentenverbindungen sind. Der Kreis ist an allen großen Hochschulorten vertreten. Er vereint deutschlandweit Sozialdemokratinnen und -demokraten aus allen politischen Flügeln der SPD, darunter viele Juso-Mitglieder. Alle Verbindungstypen und Dachverbände sind in ihm vertreten, was ihn zu einem einzigartigen Gebilde in der deutschen Korporationswelt macht.

Selbstverständnis und Zielstellung des Lassalle-Kreises

Der Lassalle-Kreis hat das Ziel, Brücken für einen lebendigen Dialog zwischen Sozialdemokratie und Korporationen zu bauen bzw. wieder aufzubauen. Er wirbt für eine Vereinbarkeit von Verbindungswesen und der SPD, insbesondere bei den Juso-Gremien. Darüber hinaus will er der teils unzureichenden Information über Korporationen innerhalb der SPD entgegenwirken. Der Lassalle-Kreis sieht sich als natürlichen Ansprechpartner der Partei in Fragen über Studentenverbindungen: In welchem Verhältnis steht das Verbindungsmitglied zur Verbindung und wie steht die einzelne Verbindung zum Dachverband? Wie treffen Verbindungen Entscheidungen? Inwiefern sind Verbindungen politisch? Welche Unterschiede gibt es zwischen den Verbindungen? Gremien und Organisationseinheiten der SPD steht der Lassalle-Kreis zu diesen und anderen Fragen gerne Rede und Antwort.

Innerhalb der Korporationswelt wirbt der Lassalle-Kreis für ein besseres Verständnis sozialdemokratischer Politik, für neue Parteimitgliedschaften und tritt radikalen Tendenzen entgegen. Der Kreis zeichnet sich dadurch aus, dass er in kritischer Reflexion auch die eigenen Verbindungshintergründe beleuchtet bzw. immer wieder Reformdebatten anstößt.

Der Lassalle-Kreis versteht sich als Vorfeldorganisation der SPD. Er ist ein organisatorisch unabhängiges Netzwerk korporierter Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Die gleichzeitige Zugehörigkeit zur SPD und zu einer Studenten- oder Schülerverbindung ist Bedingung für die Mitgliedschaft im Lassalle-Kreis.

Vereinbarkeit durch ähnliche Grundwerte

Um dem Anspruch einer Volkspartei gerecht werden zu können, sollte die SPD mehr nach dem Verbindenden als nach dem Trennenden innerhalb ihrer Mitglieder suchen und sich auf ihre verbindenden Grundwerte von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität besinnen. Die Mitglieder des Lassalle-Kreises vereint die Überzeugung, dass die Sozialdemokratie und studentische Verbindungen ähnliche Grundüberzeugungen und Werte teilen.

Während ihrer Konstituierung und ersten Jahre nach 1863 orientierte sich die SPD bezüglich der inneren Organisation auch an Studentenverbindungen, da es noch keine Parteien und Vereine als Vorbilder gab. So war das Conventsprinzip der Verbindungen eine Blaupause für den Ablauf von Parteisitzungen und Parteitagen. Gerade die Convente - regelmäßige Mitgliederversammlungen der Studentenverbindungen - können noch heute als Lehrstuben für Basisdemokratie dienen. Das freie Reden und Debattieren lernt man dort. Andere mit Argumenten überzeugen, Gegenpositionen widerlegen, Mehrheiten schaffen – all das macht den Convent einer Studentenverbindung aus. Basisdemokratisch ist auch das Rotationsprinzip – jedes Semester werden alle Ämter neu gewählt – und die Verpflichtung aller, bei Bedarf selbst Amtsverantwortung zu übernehmen.

Verbindungsstudentinnen und -studenten und die SPD eint die Überzeugung, dass Bildung ein wichtiges gesellschaftliches Gut ist, das sowohl eine freie, moderne und demokratische Gesellschaft fordert als auch ein hohes wirtschaftliches Wertschöpfungspotential sicherstellt. Bildung dient nicht nur der Faktenvermittlung, sondern auch der Entwicklung einer Persönlichkeit mit sozialen Kompetenzen, Engagement für Mitmenschen und Solidargemeinschaft.

Persönliches Engagement und soziale Verantwortung sind in demokratischen Gemeinwesen wesentliche Grundlagen für eine funktionierende solidarische Gesellschaft. Viele Studentenverbindungen engagieren sich ehrenamtlich, ihre Mitglieder sind aktiv in gemeinnützigen Vereinen und Initiativen.

Das in den Studentenverbindungen geltende und praktizierte Lebensbundprinzip der Mitgliedschaft vom Eintritt bis zum Tod ist für viele Genossen und ihre Parteimitgliedschaft ebenso wichtig. Der SPD würde es gut tun, dieses Prinzip mehr zu beherzigen, denn der Austausch, der Dialog von Jung und Alt gilt in vielen Parteigremien als ausbaufähig. Als Teil des Lebensbundes wird in den Korporationen eine generationenübergreifende Solidarität gepflegt. Wie der Staat das Studium durch Bafög und Zuschüsse für Hochschulen unterstützt, so unterstützen in Verbindungen berufstätige Mitglieder die Studierenden. Verbindungen leben einen Generationsvertrag mit Erfolg vor. Die SPD täte gut daran, um korporierte Genossinnen und Genossen zu werben. Zwei Drittel der Mitglieder im Lassalle-Kreis haben oder hatten ein Parteiamt inne.

Das Ziel der gesellschaftlichen Gleichheit von Mann und Frau ist gerade in der Korporationsszene sehr anspruchsvoll in der Durchsetzung, und es bedarf hierbei in den meisten Verbindungen eines langen Atems. Der Lassalle-Kreis klammert folgerichtig das Thema Männerbünde nicht aus, sondern bringt es über die Dachverbände und bei Jahrestreffen auf die Agenda. Nichtsdestotrotz respektiert er die Vereinsfreiheit: Geschlechtshomogene Vereinigungen sind und bleiben ein Grundrecht. Gleichwohl gilt: Auch Korporationen müssen sich im 21. Jahrhundert dem gesellschaftlichen Wandel stellen. Über eine Öffnung der Verbindungen für alle Studentinnen und Studenten wird der Lassalle-Kreis ergebnisoffen diskutieren.

Jusos im Lassalle-Kreis

Verwundert nimmt der Lassalle-Kreis die mancherorts kategorische Ablehnung von Verbindungsmitgliedern innerhalb der Jusos zur Kenntnis. Sie ist unserer Ansicht nach unbegründet oder in ihrer Begründung nicht stichhaltig. Verbindungstudentinnen und Verbindungstudenten können wertvolle Stützen der Parteiarbeit sein: Sie sind belastungsfähig und durch das Bundesleben frustrationstolerant, sie sind erfahren beim Organisieren von Veranstaltungen, rhetorisch geschult und kontaktfreudig – alles Eigenschaften, die jeden Ortsverein bereichern. Insbesondere für die Ansprache von SPD-fernen Schichten im Wahlkampf sind sie geeignet, da sie bei ihren Verbindungen gerne und oft sozialdemokratische Inhalte und Politik verteidigen und für die Positionen der SPD werben. Dank ihrer Sozialisation in einem eher konservativen Universitätsmilieu sind Lassalleanerinnen und Lassalleaner fähig, kritische Wählerschichten für die SPD zu gewinnen. Um dem Anspruch einer Volkspartei und der Geschichte der SPD gerecht zu werden, sind Korporierte auch innerhalb der Jusos ein wichtiger Baustein.

Entschieden gegen Rechtsextremismus

Jedes Mitglied des Lassalle-Kreises ist zugleich Mitglied der SPD und teilt somit die sozialdemokratischen Grundüberzeugungen Freiheit - Gerechtigkeit - Solidarität. Ausdrücklich unterstützt der Lassalle-Kreis den Kampf gegen rechtsextremistisches Gedankengut. Die „Neue Rechte“ ist eine Gefahr auch für Verbindungen. Am wirkungsvollsten ist der Kampf gegen extreme Ideologien bei Verbindungen allerdings innerhalb der Korporationsszene selbst. Hier wünscht sich der Lassalle-Kreis mehr Solidarität und Unterstützung seitens der Partei, insbesondere der Jusos.

Der Kreis organisiert regelmäßig Vorträge in Verbindungen, um auf die Gefahr einer rechtsextremen Unterwanderung aufmerksam zu machen. Dem Netzwerk liegt es am Herzen, die progressive Idee der studentischen Korporation durch Aufklärung innerhalb der korporativen Szene zu schützen. Warnungen vor einem Rechtsruck gilt es zu erkennen, rechtsextremistischem Handeln muss entschlossen begegnet werden.

Durch die Landtagswahlen des Jahres 2016 gelangen etliche Verbindungsstudenten über AfD-Listen in die Landtage. Der Lassalle-Kreis stellt fest, dass die Alternative für Deutschland und ihre Jugendorganisation Junge Alternative verstärkt im akademischen Milieu der Studentenverbindungen um Mitglieder werben und hier bildungsnahe Schichten rekrutieren. Nicht nur als Parteimitglieder der SPD sind wir hierüber beunruhigt. Diesen Zuwachs verhindert man nicht durch weitergehende Unvereinbarkeitsbeschlüsse für Korporierte, Gegendemonstrationen oder undifferenzierte Parolen, derlei Aktionen stärken eher die AfD.

Vielmehr muss die Partei aktiv mit der Kraft des guten Arguments und mit sozialdemokratischer Überzeugung für eine Mitgliedschaft in der SPD bei Korporierten werben. Der Lassalle-Kreis wirbt mit sozialdemokratischer Haltung in den Verbindungen für die Politik und die Werte der SPD. Ebendieses versuchen seine Mitglieder mit Diskussionen auf Verbindungshäusern und im Dialog mit Verbindungstudentinnen und -studenten.

Entfremdung von Verbindungen und der SPD

Das Kaiserreich ab 1871 initiierte neue Verbindungsstiftungen an allen deutschen Hochschulen. Diese neuen Korporationen waren eher christlich und der Monarchie treu, weniger revolutionär. Kaisertreue war wichtiger als die Überwindung innerdeutscher Grenzen. Somit waren die Soziale Frage und auch das Allgemeine Wahlrecht keine Themen in den Verbindungen. Die SPD hatte nach der Aufhebung der Sozialistengesetze im Jahr 1890 kaum gemeinsame Ziele mit den damaligen Studentenverbindungen. Der Zuwachs an SPD-Mitgliedern aus bildungsfernen Schichten und ihr Erstarken bei den Wahlen bis zum Ersten Weltkrieg beunruhigte das akademische Milieu, so dass die SPD als Bedrohung für das Bürgertum wahrgenommen wurde.

Berlins ehemaligen Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter (1889-1953) kann man als Vorboten einer wachsenden Entfremdung von Korporationswesen und Sozialdemokratie sehen[1]. Reuter war seit 1907 zunächst Mitglied der Schwarzburgverbindung Frankonia Marburg und seit 1909 auch der SBV Herminonia München. In seiner Studentenzeit vertiefte er sich in Fragen zum Sozialismus. Diese Aktivitäten und seine Interessen stießen bei seinen Bundesbrüdern oft auf Unverständnis – sein Verbindungsleben litt darunter, schließlich verließ er seine Verbindung ganz. 1912 wurde Reuter in Bielefeld Mitglied der SPD.

Das Auseinanderdriften der Korporationswelt und der Sozialdemokratie verstärkte sich nach dem ersten Weltkrieg. In den unmittelbaren Nachkriegsjahren standen sich mitunter Verbindungsstudenten, in Freikorps organisiert, und SPD-Mitglieder auf den Straßen feindlich gegenüber.[2] An den Hochschulen der Weimarer Republik bildeten sich Sozialistische Studentengruppen, die Studentenverbindungen kritisierten. Sozialdemokraten und Verbindungsstudenten waren immer seltener in gleichen Gruppen organisiert. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold bildete hier eine  Ausnahme, in ihm waren einige Verbindungsstudenten Mitglied, u.a. Fritz Bauer, Carl von Brandenstein und Hans Venedey.

Im Nachkriegsdeutschland wurde die Forderung nach einem Ausschluss aller Verbindungsstudenten aus der SPD durch den SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) laut. Im Jahr 1954 beschloss daraufhin die SPD eine Unvereinbarkeit von Mitgliedern von Verbindungen, die über ihre Dachverbände Teil des CDK (Cartell-Verband Deutscher Korporationsverbände) waren. 1961 wurde dann der SDS selbst mit der SPD unvereinbar. Im Zuge des Wandels der SPD durch das Godesberger Programm wurde die allgemeine Unvereinbarkeit der Verbindungsstudenten 1967 aufgehoben. Dieser Beschluss gilt bis heute.

Mit der Linkswende der Jusos 1969 wurde die Forderung nach einer Unvereinbarkeit des Verbindungswesens und SPD des Öfteren formuliert. Es dauerte mehr als 35 Jahre, bis diese Antragsarbeit Konsequenzen hatte. Seit 2006 ist eine SPD-Zugehörigkeit für Mitglieder von Bünden der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, einer Gruppe innerhalb des Dachverbands Deutsche Burschenschaft, nicht mehr möglich. Mitte des Jahres 2014 wurde dieser Beschluss erweitert.

Unvereinbarkeitsbeschlüsse sind keine Lösung

Seit Juni 2014 bekommen keine Mitglieder von Burschenschaften, die im Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ organisiert sind, das SPD-Parteibuch. Der Lassalle-Kreis sieht dieses parteiinterne Rechtsmittel sehr kritisch. Dass durch diesen Beschluss auch langjährige Burschenschafter und verdiente Genossen von einer Unvereinbarkeit betroffen sind, ist ungerecht und widerspricht dem Grundsatz der Solidarität.

Darüber hinaus sollte ein Unvereinbarkeitsbeschluss auch einem zivilrechtlichen Verfahren standhalten, was stark zu bezweifeln ist. Zentrale Frage in einem Schiedsverfahren ist, ob das einzelne Parteimitglied mit seiner Zugehörigkeit zu einer Burschenschaft der Deutschen Burschenschaft aktiv gegen die SPD gewirkt hat. Wie soll die SPD im Falle eines Parteiordnungsverfahrens langjährigen Genossinnen und Genossen Rassismus, Antisemitismus, Revanchismus, Sexismus oder Homophobie nachweisen? In dieser Beweisführung wird der zuständige SPD-Bezirk womöglich unterliegen – ein PR-Desaster ist vorprogrammiert.

Und: Wie soll die SPD diese Genossinnen und Genossen eigentlich identifizieren? Der Unvereinbarkeitsbeschluss ist nur umsetzbar, wenn SPD-Mitglieder andere SPD-Mitglieder denunzieren und parteiöffentlich an den Pranger stellen. Hierbei sollte man sich der langen Parteigeschichte bewusst werden und nicht vergessen, dass zahlreiche SPD-Mitglieder aufgrund von Denunziationen sehr viel erlitten haben und manche dies sogar mit ihrem Leben bezahlen mussten. Der Lassalle-Kreis verurteilt jeden Aufruf zur Denunziation als parteischädigend.

Es gibt keine Schnittmenge mit aktuellen Unterstützern des Kurses der Deutschen Burschenschaft und der SPD, daher liegt keine Bedrohung der Partei vor, die das parteirechtlich stärkste Mittel eines Unvereinbarkeitsbeschlusses rechtfertigt. Der 2014 durch den Parteivorstand umgesetzte Parteitagsbeschluss von 2013 dient einerseits lediglich der Profilierung einzelner SPD-Gruppierungen – andererseits zwingt er Genossen zum Austritt, die oft jahrzehntelang die Parteiarbeit auf vielen Ebenen mitgetragen haben. Das ist die falsche Strategie im Kampf gegen rechtsextremistische Positionen im akademischen Milieu. Der Lassalle-Kreis wünscht sich von der SPD eine solidarische Unterstützung der korporierten Genossen, die aktiv den Rechtsextremismus an Universitäten bekämpfen.

Mit den Ankündigungen einiger Arbeitsgruppen, die Unvereinbarkeit bald auf weitere Studentenverbindungen ausdehnen zu wollen, wird die SPD nicht nur ihre 150-jährige Geschichte verraten, sie zerstört ihr pluralistisches Fundament, da die Freiheit Andersdenkender in der Partei eingeschränkt wird. Unvereinbarkeitsbeschlüsse haben nur dann Sinn, wenn sie eine positive Wirkung für die Partei entfalten.

Konsequenterweise sollte die ablehnende und feindliche Haltung der Jungsozialisten gegenüber den Verbindungsstudentinnen und -studenten innerhalb ihrer Parteigruppierung eigentlich dazu führen, dass sie ihren Alleinvertretungsanspruch aus dem Statut für Mitglieder unter 35 oder an Hochschulen aufgeben. Schließlich vertreten sie nicht ihre korporierten Mitglieder, sondern sie bekämpfen sie politisch[3].

Linksextremismus nicht verharmlosen

Dem Lassalle-Kreis ist ein gleichwertiges und entschiedenes Eintreten gegen jede Form des Extremismus wichtig. Verbindungsstudenten sind regelmäßig Ziel von gewalttätigen Übergriffen linker Gruppen. Verbindungshäuser sind Ziel von Sachbeschädigungen, bei der die Gefährdung von Leib und Leben in Kauf genommen wird. Hierzu muss innerhalb der örtlichen SPD-Gremien eine stärkere Abgrenzung und Verurteilung stattfinden. Oft werden diese Gewaltakte von Parteigremien nicht verurteilt, mancherorts sogar unterstützt. Der Lassalle-Kreis fordert daher von Juso-Hochschulgruppen, weiteren Juso-Gremien und von SPD-Gruppen eine kritische Auseinandersetzung mit linksradikaler Gewalt. Eine Unterstützung von Rechtsbruch und Gewalt darf sich keine Gruppierung innerhalb der SPD erlauben.

Der Verband Lassalle-Kreis

Der Lassalle-Kreis hat Mitglieder in allen Dachverbänden und an den meisten Hochschulorten in Deutschland. Auf Bundesebene vertritt der Bundesvorstand das Netzwerk nach außen, Regionalgruppen und Stammtische sind Ansprechpartner vor Ort. Der Kreis sieht sich als Interessenverband der korporierten Sozialdemokratinnen und -demokraten gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber der SPD und auch gegenüber den Studentenverbindungen und ihren Dachverbänden.

Die am stärksten vertretenen Dachverbände im Lassalle-Kreis sind der Wingolfsbund (WB), der Coburger Convent der akademischen Landsmannschaften und Turnerschaften an deutschen Hochschulen (CC) sowie der Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV). Ein bedeutender Teil der Mitglieder sind Jungsozialisten. Der Kreis verzeichnet Zuwachsraten auch bei höheren Semestern und innerhalb der Arbeitsgemeinschaft 60plus. Aufgrund der satzungsbedingten Doppelmitgliedschaft in Verbindung und Partei ist das Potential an möglichen Mitgliedern im Lassalle-Kreis begrenzt – Schätzungen belaufen sich auf 1500 bis 2000 korporierte Genossinnen und Genossen.

Zentraler Fixpunkt im Jahreskalender ist die mehrtägige Lassalle-Tagung. Auf ihr werden zu Themen aus Politik und Gesellschaft kompetente Referenten zu öffentlichen Vorträgen und Diskussionen eingeladen. In Workshops wird die interne Verbandslinie diskutiert und festgelegt sowie aktuelle Fragen und Probleme aus der Verbindungswelt und SPD behandelt. Darüber hinaus dient das Wochenende dem Kennenlernen. Bei einem Begrüßungsabend und anderen, eher ortsspezifischen Veranstaltungen kommt man ins direkte, interkorporative Gespräch. Das gemeinsame Singen von Arbeiter- und Studentenliedern wie „Die Internationale“, „O alte Burschenherrlichkeit“ und „Das Steigerlied“ während der Lassalle-Kneipe ist der Höhepunkt jeder Tagung.

Neben der Jahrestagung lädt der Kreis zu Diskussionsveranstaltungen und Vorträgen ein und beteiligt sich an Parteiveranstaltungen und Wahlkämpfen. Darüber hinaus stellt er Referenten für parteiinterne und öffentliche Diskussionen zum Themenkomplex „Studentenverbindungen und SPD“.

Ausblick

Mit Entrüstung beobachtet der Lassalle-Kreis eine steigende Antragswut und größere innerparteiliche Behinderungen für korporierte Parteimitglieder. Verbindungsstudentinnen und -studenten sind aktuell die einzige Gruppe innerhalb der Partei, der des Öfteren mit Unvereinbarkeit gedroht wird. Es gibt beispielsweise in Bayern ein Zusammenarbeitsverbot von Jusos und Lassalle-Kreis, welches die bayerischen Lassalle-Kreis-Mitglieder unter 35 Jahren fragen lässt, wie sie denn nun als Juso mit sich zusammenarbeiten sollen. An Hochschulorten werden Verbindungsstudentinnen und -studenten, die der SPD angehören, von den Juso-HSG als Kandidaten bei Wahlen ausgeschlossen.

Die SPD hat und hatte wichtige Mitglieder, die Burschenschafter, Corpsbruder oder anderweitig korporiert sind oder waren. Ferdinand Lassalle, Wilhelm Liebknecht, Eduard David, Karl Barth, Paul Tillich, Fritz Bauer, Ludwig Bergsträsser, Detlef Carsten Rohwedder geben Zeugnis einer Vereinbarkeit von SPD-Mitgliedschaft und Korporationszugehörigkeit.

Die korporierten Genossinnen und Genossen sind ein wichtiger Baustein einer Volkspartei, wie die SPD es auch im Jahr 2016 und in Zukunft sein will. Der Lassalle-Kreis setzt daher auf einen guten und engagierten Dialog mit allen SPD-Gremien, um ungerechtfertigte Unvereinbarkeiten zu vermeiden. Alle Lassalleaner und Lassalleanerinnen sind mit Leib und Seele Sozialdemokraten – ihr Bekenntnis zu den Grundwerten der Partei macht nicht an der Schwelle zum Verbindungshaus halt.

 

Florian Boenigk, seit 2012 Bundesvorsitzender des Lassalle-Kreises

 Artikel ist erschienen in Rote Fahnen, bunte Bänder Korporierte Sozialdemokraten von Lassalle bis heute




[1] Siehe auch: Vollrath, Karsten, „Ernst Reuter und die Schwarzburgverbindung Frankonia“, in: GDS-Archiv für Hochschul- und Studentengeschichte (1998), 4, S. 20-43

[2] Weiterführende Literatur: Sonja Levsen, „Elite, Männlichkeit und Krieg“, 2006

[3] Siehe I.2.a und II.4.aa in „Grundsätze und Richtlinie für die Tätigkeiten der Arbeitsgemeinschaften in der SPD“ vom 26.3.2012