Lassalle-Tagung 2018

Genossinnen und Genossen vereint bei Bella Ciao und Bier

Bericht der Lassalle-Tagung 2018 (7.-9. September, Berlin)
(Berlin-Nikolassee, adH Berliner Burschenschaft Obotritia)

Die 13. Jahrestagung des Lassalle-Kreis führte uns vom 7. bis 9. September 2018 zum dritten Mal nach 2007 und 2012 nach Berlin, genauer in den schönen Vorort Nikolassee. Die Berliner Burschenschaft Obotritia war unsere Herberge und unser Veranstaltungs- und Kneiport für das Wochenende. Zudem gab es einen Termin im Willy-Brandt-Haus, eine Führung durch den Bundestag und einen Besuch der Topographie des Terrors im Tagungsprogramm.

Lassalle-Kneipe

Ein bis zum letzten Platz gefüllter Kneipsaal sang aus durstigen Kehlen „Bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao!“ und stieß mit vollen Krügen auf die Sozialdemokratie an. So feierte der Lassalle-Kreis nicht nur 155 Jahre SPD, sondern nahm neuen Mut auf, um der aktuellen Lage der Partei zu trotzen. Besonders erfreulich und hochfeierlich war die Aufnahme von vier neuen Mitgliedern in den Lassalle-Kreis während der Kneipe! Die SPD ist attraktiv in der Korporationslandschaft, und das linke Herz schlug kräftig im Kneipsaal der Burschenschaft. Die Arbeiterlieder und Gesänge des Kommersbuchs trug es weit in den Berliner Nachthimmel hinein.

Die Redner aus der Corona sparten nicht mit Kritik an den momentanen politischen Verhältnissen. Ein Thema war die Gemeinschaftsaufgabe der Integration der Flüchtlinge: „Was wir in den letzten Jahren erlebt haben ist ein bislang dreistufiges Staatsversagen“, so Dr. Birte Könnecke, stellvertretende Bundesvorsitzende des Lassalle-Kreises. So sprechen sich die unterschiedlichen Behörden nicht ab, es fehle an Koordination. Die Bearbeitung der Asylanträge dauern zu lange, es fehle an Personal. Sicherheit werde privatisiert, es fehle an Polizei.

Ein weiteres ernstes Thema auf der Kneipe war die Unterwanderung der Verbindungen durch die AfD und andere rechte Kräfte. Hier müssen die Verbindungen ein demokratisches Bollwerk sein und auch mehr auf ihre Verantwortung in der politischen Bildung achten, so Bundesvorsitzender Florian Boenigk.

Bis weit nach Mitternacht war das Haus der Obotritia durch sanges- und trinkfreudige Genossinnen und Genossen bevölkert. Korporierte und Gäste von knapp 20 bis knapp 80 Jahren machten den Abend zu einer der größten Zusammenkünfte der interkorporativen Welt. Nirgendwo anders gab es so viele Verbindungstypen und Dachverbände aus so vielen unterschiedlichen Hochschulorten zusammen auf einem Fleck, die freudig miteinander feiern. Das macht die Lassalle-Tagung so einzigartig und wertvoll, denn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind vereint in der politischen Richtung und stolz auf ihre SPD.

Willy-Brandt-Haus, Bundestag und Topographie des Terrors

Am Freitagnachmittag trafen sich die Tagungsteilnehmer zum Start des Wochenendes im Willy-Brandt-Haus. Neben einer Führung durch das Haus und einem Blick in den Sitzungsraum des Parteivorstands stand auch eine kurze Aussprache mit dem Referat Direktkommunikation an. Hier wurde uns ein Einblick in den Alltag der Parteizentrale gegeben: von Mitgliederanfragen, Programmfragen über unfreundliche Telefonate und wüste Beschimpfungen.

Anschließend zogen die Genossinnen und Genossen zusammen zum Reichstagsgebäude, wo uns unser Mitglied Johannes Kahrs begrüßte. Der Gang durch das Parlamentsgebäude war kurzweilig und voller Anekdoten: von der Ausrufung der Republik über die Spuren des 2. Weltkriegs bis hin zum heutigen Politikbetrieb auf der Fraktionsebene. Im Fraktionssaal der SPD gewährte uns Johannes Einblicke in die große Koalition und gab die Prognose ab, dass Merkel 2021 nicht mehr antreten wird. Er vermute, dass Spahn das Kanzlerkandidatenrennen bei der Union machen werde. Hinsichtlich der eigenen Partei rief Johannes zur Ruhe und Konzentration auf Inhalte und gute Sachpolitik auf. Mittel- bis langfristig wird die gute Politik der SPD sich wieder an den Wahlurnen bemerkbar machen.

„Der Volksgerichtshof 1934–1945. Terror durch Recht“ lautete der Titel der Sonderausstellung in der Topographie des Terrors, die uns in einer Führung nähergebracht wurde. Wie die Nationalsozialisten immer mehr Menschen anklagten, ihre Urteilspraxis verschärften und so den gesamten Justizapparat an sich rissen, wurde mittels Einzelschicksalen und Biographien nähergebracht. Auf Täterseite waren viele der Richter am Volksgerichtshof korporiert, darunter als Präsidenten der Corpsstudent Thierack und auch Freisler. Dazu zeigte die Sonderausstellung auch deutlich, wie sich die juristische Elite der Nazi-Zeit im Nachkriegsdeutschland behauptete und nicht selten die richterliche Karriere fortsetzen konnte.

Vorstandstermin mit Lars Klingbeil

Für Lars Klingbeil war es nicht der erste Kontakt mit dem Verbindungswesen, wohl aber mit dem Lassalle-Kreis. Er hat gute Freunde, die korporiert sind. Zudem hatte er sich vor gut 10 Jahren mit Causa „Hofgeismarer Kreis/Sascha Jung“ beschäftigt – er kennt also auch die extremen Auswüchse des Verbindungswesens. Den Lassalle-Kreis selbst kannte er nicht en detail, deshalb konnte der Vorstand in dem einstündigen Termin diese Wissenslücke schließen. Nach der Vorstellung des Lassalle-Kreises fragte Klingbeil nach der Abgrenzung nach rechts, denn nur wenn der Lassalle-Kreis sich glaubhaft distanziert von den rechten Umtrieben in der Verbindungswelt, kann er eine offene und faire Zusammenarbeit mit dem Generalsekretär erwarten.
Hierzu verwies der Vorstand auf die klaren und deutlichen Statements der Abgrenzung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die DB aus dem Jahr 2014. Der Lassalle-Kreis verurteilte die Entwicklung innerhalb der DB, stellte aber klar, dass alle Mitglieder des Lassalle-Kreises ein SPD-Parteibuch haben, womit ihr politischer Kompass und ihre Loyalität zur SPD eindeutig gegeben ist. Auch machte der Vorstand deutlich, dass Unvereinbarkeitsbeschlüsse in der praktischen Umsetzung schwierig sind, da sie bei aktuellen Genossen in der Deutschen Burschenschaft nur mit deren Denunziation zu verwirklichen sind. Gerade der indirekte Aufruf zur Denunziation sei, wenn man die lange Geschichte der SPD betrachtet, nicht zu akzeptieren. Der Vorstand kritisierte weiter die Ankündigungen einiger Arbeitsgruppen, die Unvereinbarkeit bald auf weitere Studentenverbindungen bzw. Dachverbände ausdehnen zu wollen.

Vorstandswahlen und Satzungsänderung

In der samstäglichen Mitgliederversammlung wählte der Kreis einen neuen Bundesvorstand für die Vorstandsperiode 2018-2020. Florian Boenigk wurde als Bundesvorsitzender einstimmig bestätigt, ebenso wie die stellvertretende Bundesvorsitzende Dr. Birte Könnecke und Schatzmeister Jan G. Frick. Des Weiteren gehören dem Bundesvorstand Manfred Blänkner, Christoph Brodhun, Bartholomäus Dutkiewicz und Nicolas Kennerknecht an.
Die Mitgliederversammlung beschloss zudem die Umwandlung des Lassalle-Kreises in einen „Eingetragenen Verein“. Der Bundesvorstand wurde ermächtigt, die Eintragung ins Vereinsregister zu beantragen.